Ein Tag in Amsterdam (2006)

Ein Bericht von meiner alten Website.


Mit dem Nachtzug nach Amsterdam – von Attraktionen, die keine sind, Coffee Shops und Frauen in Schaufenstern. (10. November 2006)

Ich wollte ja schon lange mal eine europäische Stadt besuchen und wartete bloss darauf, dass jemand mitkommt. Anfangs Oktober war es dann endlich soweit: Bei einem gemütlichen DVD-Abend kamen wir auf dieses Thema zu sprechen – drei Wochen später fiel die Wahl auf Amsterdam und noch mal drei Wochen später waren wir zu zweit dort.

Im Sonderangebot von CityNightLine war leider nur ein Tagesaufenthalt vorgesehen – in der Nacht hin, in der darauf folgenden Nacht zurück. Wir haben uns trotzdem dafür entschieden. Vor der Abfahrt haben wir uns ein wenig über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten informiert, aber nichts genau geplant.

Der Nachtzug

Der Zug hielt sogar in Baden, wo wir um 21 Uhr einsteigen konnten. Das 4er-Abteil war gerade gross genug: Im Bett konnte man aufrecht sitzen, ohne den Kopf anzustossen. Das Gepäck konnte nirgends eingeschlossen werden und so musste man den „Zimmergenossen“ einfach mal vertrauen. Für ein Minimum an Sicherheit sorgte einzig die verriegelbare Türe.

Nach einiger Zeit mussten die Fahrkarte und die Pässe abgegeben werden. Den Rest des Abends verbrachten wir an der Bar im Speisewagen, welcher jeweils unterwegs abgekoppelt wird. Gemäss Zugspersonal gabs auch schon Reisende, deren Schlafabteil ohne sie in eine ganz andere Richtung weiterfuhr…

Ankunft in Amsterdam

Um gut 9 Uhr fuhren wir dann in Amsterdam Centraal ein, nachdem wir eine halbe Stunde vorher geweckt wurden. Zuerst besorgten wir uns eine Tageskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel (EUR 6.30), die wir dann doch nie benutzten. Amsterdam lässt sich nämlich prima zu Fuss begehen, auch wenn wir abends dann doch sehr müde waren. Nach dem Frühstück in einem Café kauften wir eine Stadtkarte und kurz darauf starteten wir zu einer Grachtenfahrt.

Die Grachtenfahrt

Bei der Grachtenfahrt handelt es sich um eine Bootstour durch die Kanäle (Grachten) Amsterdams – ein absolutes Muss! Die Sehenswürdigkeiten auf der Strecke werden jeweils in verschiedenen Sprachen kommentiert und so erhält man einen super Überblick über die Stadt. Es gibt verschiedene Anbieter, die meines Wissens allesamt am Hauptbahnhof starten. Unterwegs erfuhren wir, dass der Bahnhof auf mehr als 3000 Holzpfählen errichtet worden ist – wie die ganze Amsterdamer Altstadt übrigens auch.

Betrachtet man die Amsterdamer Häuser genauer, wird man bei jedem Giebel einen Seilzug vorfinden. Da die Treppen im Innern der Häuser zu schmal sind, werden Möbel ausserhalb hochgezogen. Auffällig sind auch die vielen an den Kanalufern festgemachten Hausboote – die einen modern eingerichtet, die anderen etwas arg schrottreif. Bevor ein neues Hausboot ankern darf, muss ein altes verschwinden.

Wie weiter?

Wir waren uns einig, dass wir keine Museen besuchen wollten, da die Zeit dazu zu knapp war. Aber was gibt’s denn in Amsterdam sonst noch zu sehen? Wir entschlossen uns, die Strassen zu erkunden und gelangten irgendwann zur Oude Kerk (alte Kirche), von dort ins Rotlichtviertel, dann wieder in Einkaufsstrassen, durch Bücher- und Blumenmärkte in eine Magic Mushroom Gallery, dann in einen Coffee Shop von Kadinsky und dann über den Rembrandtplein wieder in den nun lebendigeren Rotlichtbezirk und schlussendlich über diverse Seitengässchen zurück zum Bahnhof.

Die Wester Kerk (die höchste Kirche Amsterdams) neben dem Anne Frank Haus wurde bei unseren Besuch gerade vollständig renoviert und so war eine Turmbegehung nicht möglich. Die Oude Kerk in der Nähe des Rotlichtviertels war geöffnet, allerdings kann man den Turm nur im Sommer besteigen.

Natürlich ist Amsterdam punkto Sehenswürdigkeiten nicht mit einer Stadt wie etwa London zu vergleichen. Und eine tolle alte Kirche habe ich bereits in Salisbury gesehen. Klar, es gibt schon so genannte Attraktionen, aber nichts, was man nicht sonst wo auch sehen könnte. Interessant ist vielmehr die ganze Stadt an sich: die Kanäle, die Coffee Shops, die Bauweise der Häuser und wohl auch der spezielle Umgang mit dem Thema Prostitution.

Die Coffee Shops

Natürlich durfte auch ein Abstecher in einen Coffee Shop nicht fehlen. Coffee Shops gibt es in Amsterdam wie Sand am Meer, bloss dürften manche seriöser sein als andere… Kleine Coffee Shops ohne Sitzgelegenheiten würde ich meiden. Wir sind also da rein – in Coffee Shops darf man auch „nur“ etwas trinken. Trotzdem habe ich einen Blick in die Menükarte geworfen: Da stehen dann eben die verschiedenen Sorten mit Namen, Wirkung/Stärke und Preis drin. Ich wurde auch prompt gefragt: „D’you know how to roll?“ Space Cakes werden auch angeboten (5 Euro bei Kadinsky).

In der Nähe des Bahnhofs auf der Nieuwendijk-Strasse gibt es übrigens einen Coffee Shop, wo auch Wasserpfeife geraucht werden kann: „La Canna“.

Auf die Frage, ob man denn „diese Dinge“ auf die Strasse nehmen darf, erhielt ich folgende Antwort: „It’s up to you.“ Wenn ich mich richtig erinnere, wird der Konsum von weichen Drogen in den Niederlanden toleriert, der Besitz allerdings nicht. Dessen ungeachtet bekommt man auf der Strasse auch alles andere angeboten.

Was es sonst noch gibt…

Auf unserer Stadtkarte war auch eine „Magic Mushroom Gallery“ eingezeichnet. Wir konnten uns nicht viel darunter vorstellen. Angekommen im Laden, waren wir dann doch überrascht: Da wurden halluzinogene Pillen und Pilze ausgestellt, irgendwelche Libido-anregende und berauschende Kräuter beworben. Auch hier wieder seriös mit Namen und voraussichtlicher Wirkung versehen, als sei es das normalste der Welt. Nebenbei konnte man einige eindeutige Bilder und weitere „Kleinigkeiten“ kaufen. Verkäufer: „You want some mushrooms?“

Ach ja, auf Blumenmärkten wird übrigens ein Cannabis-Starterkit aus der Dose angeboten, um sein eigenes Pflänzchen zu züchten… Ausserdem gibt es auch diverse Head Shops, wo merkwürdige Utensilien für noch viel merkwürdigere Drogen oder weiss ich was angeboten werden. Und in den unzähligen Souvenirläden kann man die meist gleichen Souvenirs zu unterschiedlichen Preisen kaufen.

Red Light District

Bekannt ist Amsterdam ja auch für seinen offenen Umgang mit der Prostitution. Anscheinend gehört das zur Normalität; ich sah immerhin Familien, die hier spazieren gingen. Es gibt diverse Läden mit Filmen und Accessoires, Bars mit Live-Shows und Schaufenster, in denen sich die Frauen anbieten. Und das alles neben normalen Läden wie Bäckereien, Fast Food Restaurants etc. Wir waren uns nicht so sicher, ob diese Normalität besser als unsre ist. Wird die Nachfrage dadurch nicht weiter angeregt? Für die Frauen im Gewerbe dürfte es allerdings aus gesellschaftlicher und medizinischer Sicht nur Vorteile bieten.

Natürlich gibt es auch zu diesem Thema ein Museum, zu finden ist es ganz versteckt zwischen Cafés auf dem Damrak, in der Nähe des Bahnhofs.

Rückreise und Grenzkontrolle

Nun ging es also wieder zurück. Den Abend verbrachten wir wieder im Speisewagen. In der Nacht bin ich wie schon bei der Hinfahrt mehrmals aufgewacht, vermutlich aufgrund des ewigen Bremsens und Beschleunigens. Wirklich angenehm zum Schlafen war es also nicht, aber bestimmt besser als die Liegesessel.

Morgens um halb 7 Uhr wurden wir geweckt – „Grenzkontrolle, guten Morgen!“ Total verschlafen begriff ich erst gar nicht, was der Gute von uns wollte. Er fragte, wo wir gewesen waren (Amsterdam), wie lange wir dort waren (1 Tag), ob wir was zu verzollen hätten (öh nein) und was wir eingekauft haben (na, alles Mögliche). Als jugendliche Eintagestouristen waren wir sowieso verdächtig und so mussten wir unsere Taschen durchsuchen lassen.

Die beiden älteren Personen im selben Abteil wurden überhaupt nicht beachtet – sind sie zu alt zum Schmuggeln? Ich glaube, die Grenzwächter hatten keinen Hund dabei. Schmuggeln wäre also ein Leichtes gewesen, kleine Mengen kann man in die Ritzen stecken oder irgendwo ausserhalb des Abteils deponieren.

Um 8 Uhr fuhr der Zug in Baden ein und unser kleines Abenteuer war vorüber.

Fazit

Rückblickend gesehen war der eine Tag schon arg kurz. Ich würde es trotzdem noch mal machen. Ich war schon ewig nicht mehr in den Ferien und habe es echt genossen. Als nächstes möchte ich nach Prag oder vielleicht in eine deutsche Stadt.

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